Der Hase und der Igel

Das Märchen „Der Hase und der Igel“ (KHM 187) erzählt die humorvolle Geschichte von einem Wettlauf zwischen einem überheblichen Hasen und einem schlauen Igel. Der Hase, überzeugt von seiner Schnelligkeit, nimmt die Herausforderung des Igels an, ohne zu wissen, dass dieser mit seiner Frau trickst. Während der Hase in rasendem Tempo läuft, sorgt der Igel mit einer listigen Täuschung dafür, dass er immer „schon da“ ist. Am Ende verliert der Hase, erschöpft und überfordert, und der Igel gewinnt den Wettlauf – und die Wette. Die Geschichte endet mit einer wichtigen Lektion über Arroganz und die List des vermeintlich Schwächeren.

Der Wettlauf zwischen Hase und Igel

Eine Geschichte über List und Arroganz

Es war einmal ein sonniger Herbstmorgen, als der Igel in seinem Garten stand. Der Tag war wunderschön: die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, und die Bienen summten fröhlich in den blühenden Feldern. Der Igel atmete die frische Morgenluft ein, schlang die Arme vor der Brust und trällerte ein Liedchen. So weit, so normal für einen gemütlichen Sonntag.

Der Igel dachte sich, dass er nach dem Frühstück einen kleinen Spaziergang machen könnte, um nach seinen geliebten Steckrüben zu sehen. Die waren ganz in der Nähe seines Hauses und versorgten ihn und seine Familie mit gutem Essen. Also schloss er die Tür hinter sich und machte sich auf den Weg.

Kurz darauf begegnete ihm der Hase. Dieser war bekannt für seine übertrieben hohe Meinung von sich selbst und betrachtete den Igel mit einem selbstgefälligen Grinsen. „Wie kommt es, dass du so früh schon draußen bist?“, fragte der Hase spöttisch. „Ich gehe spazieren“, antwortete der Igel ruhig.

„Spazieren?“ Der Hase lachte. „Du könntest deine Beine sicher für etwas Besseres gebrauchen.“ Der Igel, der bei diesem Kommentar etwas aufgebracht war, erwiderte: „Glaubst du wirklich, du kannst mit deinen langen Beinen mehr erreichen als ich?“ Der Hase war überzeugt von seiner Überlegenheit und spottete: „Na gut, wie wär’s mit einem Wettlauf? Mal sehen, wer schneller ist.“

Der Igel dachte einen Moment nach und sagte dann: „Ich wette, dass ich dich schlagen werde!“ Der Hase, der sich sicher war, den Wettlauf zu gewinnen, lachte und stimmte zu. „Einverstanden! Aber was setzen wir ein?“ fragte er. Der Igel schlug vor: „Einen goldenen Louisdor und eine Flasche Branntwein.“ Der Hase nickte und lachte noch lauter: „Du bist wirklich ein lustiger Typ! Aber es ist dir überlassen.“

Bevor der Wettlauf begann, sagte der Igel: „Lass uns keine Eile haben. Ich möchte noch etwas frühstücken und mich vorbereiten. In einer halben Stunde bin ich zurück.“ Der Hase stimmte zu und dachte, der Igel hätte keine Chance.

Als der Igel zu Hause ankam, rief er seine Frau und sagte: „Frau, du musst schnell mit mir zum Feld kommen. Ich habe mit dem Hasen um eine Wette laufen, und du musst mir dabei helfen.“ Die Frau des Igels war nicht ganz begeistert: „Bist du verrückt? Wie willst du mit dem Hasen, diesem schnellen Tier, konkurrieren?“ Doch der Igel ließ sich nicht beirren. „Komm einfach mit! Es wird schon alles gut gehen.“

Am Acker angekommen, erklärte der Igel seiner Frau, wie der Wettlauf ablaufen würde. „Du stellst dich am Ende des Feldes und rufst dem Hasen zu, dass du schon da bist, sobald er bei dir ist“, sagte er. Die Frau Igel verstand und stimmte zu.

Der Hase war inzwischen oben auf dem Acker angekommen. „Bereit?“, fragte er. „Klar!“, antwortete der Igel, und der Wettlauf begann. Der Hase schoss wie ein Pfeil los, und der Igel lief nur ein paar Schritte, bevor er sich in einer Furche versteckte.

Als der Hase nach kurzer Zeit am Ziel ankam, rief ihm die Frau des Igels zu: „Ich bin schon da!“ Der Hase stoppte und starrte verwirrt auf die Stelle, an der die Stimme herkam. Er konnte es kaum glauben, dachte aber, es müsse sich um den Igel handeln – die Frau sah ihm nämlich genauso ähnlich.

„Das kann nicht wahr sein!“, rief der Hase. „Ich laufe nochmal!“ Er rannte los, und wieder kam der Igel oder seine Frau genau zur gleichen Zeit ans Ziel. Immer wieder lief der Hase und immer wieder rief jemand: „Ich bin schon da!“ Der Hase, völlig erschöpft, wollte es nicht wahrhaben und lief weitere Male, doch bei jedem Versuch war der Igel oder seine Frau schon am Ziel.

Schließlich, nach dem vierundsiebzigsten Lauf, war der Hase völlig erschöpft und fiel mitten auf dem Acker tot um. Der Igel und seine Frau nahmen die Wette an und gingen glücklich nach Hause. „Wenn wir nicht gestorben sind, leben wir noch heute“, sagte der Igel schmunzelnd.

So endete der Wettlauf, und von diesem Tag an wagte es kein Hase mehr, sich mit dem Buxtehuder Igel zu messen.

Quelle:
Brüder Grimm aus „Die schönsten Kinder- und Hausmärchen“ (Band 2) – 1857

(Der Text wurde von mir behutsam überarbeitet)

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