Der Froschkönig
KHM 1
„Der Froschkönig“ erzählt die Geschichte einer Prinzessin, die einem Frosch verspricht, ihn als Freund zu akzeptieren, wenn er ihr eine verlorene goldene Kugel zurückbringt. Obwohl sie das Versprechen zunächst bricht, erinnert der Frosch sie daran und verfolgt sie in ihr Schloss. Erst als der Frosch sich als verzauberter Prinz offenbart, versteht sie die wahre Bedeutung ihrer Entscheidung. Das Märchen lehrt Werte wie die Erfüllung von Versprechen und die Kraft der Erlösung durch wahre Liebe.
Der Froschkönig
Die etwas andere Geschichte
Es war einmal eine Prinzessin – und nein, keine, die den ganzen Tag in ihren hübschen Kleidern herumschwebte und mit einer Krone auf dem Kopf „Zauberhafte Prinzessin“ spielte. Diese hier war richtig cool. Sie hatte ihre eigene goldene Kugel (weil, wer braucht schon ein Smartphone, wenn man so ein Spielzeug hat?) und war damit unterwegs am Brunnen, um ein bisschen zu chillen und die Welt zu beobachten.
Da passierte es. Die Kugel flutschte aus ihrer Hand, sprang durch die Luft und – platsch! – landete mitten im tiefen, dunklen Brunnen. Die Prinzessin starrte erstmal ins Wasser und dachte sich nur: „Das war’s. Die Kugel ist weg, und jetzt?“
Plötzlich hörte sie ein leises „Quack!“ und drehte sich erschrocken um. Und was sah sie? Einen Frosch. Ja, richtig gelesen, ein Frosch. Nicht der, den man sich als netten Gartenzwerg vorstellt, sondern ein richtig frecher Kerl. Er schaute sie mit seinen großen, runden Augen an und fragte: „Hey, was geht, Prinzessin? Warum weinst du?“
„Weil meine goldene Kugel in den Brunnen gefallen ist!“ sagte sie schnippisch und zog die Augenbrauen hoch. „Und jetzt?“
Der Frosch dachte kurz nach. „Okay, hör mal zu, Prinzessin. Ich kann dir helfen und die Kugel holen, aber… du musst mir was versprechen.“
„Ja, ja“, antwortete sie, „was du willst. Bring mir einfach meine Kugel zurück, du Quak-König.“
„Naja, es geht darum, dass du mir versprichst, mich zu deinem besten Kumpel zu machen. Ich möchte bei dir wohnen, an deinem Tisch sitzen, aus deinem Teller essen und nachts in deinem Bett schlafen“, sagte der Frosch, als ob das die normalste Sache der Welt wäre.
Die Prinzessin verdrehte die Augen. „Du willst in meinem Bett schlafen? Bist du sicher, dass du nicht zu viel Frosch-Öl in deiner Diät hast?“ Aber sie dachte sich: „Was soll’s, er holt ja immerhin die Kugel.“
Also sagte sie: „Klar, sicher, alles was du willst. Aber ich dachte nicht, dass du wirklich aus dem Brunnen kommst, du grüner Typ.“
Der Frosch nickte und sprang ins Wasser. Ein paar Sekunden später tauchte er wieder auf, mit der goldenen Kugel im Maul, und schmiss sie locker vor ihre Füße. „Hier. Bitteschön, Prinzessin. Aber ich hab da noch eine Kleinigkeit zu sagen…“
Sie schnappte sich ihre Kugel und machte sich bereit abzuhauen. „Danke, bis bald“, rief sie und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Schloss.
Doch der Frosch hatte andere Pläne. „Hey, warte mal! Du hast versprochen, mich mitzunehmen!“
Die Prinzessin drehte sich um und rief: „Ach komm, du bist doch ein Frosch! Was willst du bei mir im Schloss?“ Aber der Frosch war hartnäckig. Er quakte so lange, bis sie genervt aufgab und ihm die Tür öffnete. Der Frosch kam hüpfend hinter ihr her, und sie versuchte, so zu tun, als würde das alles total normal sein.
„Äh, Prinzessin, was ist das? Ich muss hier essen, ne?“, fragte der Frosch und setzte sich auf den Tisch, als wäre er der Gastgeber. „Schieb mal den Teller rüber, ich hab Hunger.“
Die Prinzessin konnte kaum fassen, was da gerade passierte. „Ich esse jetzt mit einem Frosch?!“ dachte sie sich, während sie ihm ungläubig zusah. Aber hey, was soll man tun, wenn ein Frosch dir ins Gesicht quakt?
Am Ende des Abends, als der Frosch mit einem zufriedenen „Ich bin satt, lass uns schlafen gehen“ das Bett eroberte, war die Prinzessin kurz davor, die Nerven zu verlieren. „Du kannst nicht ernsthaft erwarten, dass ich mit dir in einem Bett schlafe“, rief sie aus.
Der Frosch war nicht zu bremsen. „Doch, das will ich! Du hast mir versprochen, mich in deinem Bett schlafen zu lassen. Also, los jetzt!“
Und wie das so ist, wenn man einem Frosch ein Versprechen gibt, musste die Prinzessin ihm ihren ganzen Mut zusammennehmen. Sie nahm den Frosch, setzte ihn auf ihr Bett und wartete darauf, dass er irgendwann einschlief.
Plötzlich – platsch – war der Frosch verschwunden. Stattdessen lag da ein hübscher junger Prinz! Ja, du hast richtig gehört: Der Frosch war ein verwunschener Prinz! Er sprang auf und erzählte der Prinzessin, dass eine böse Hexe ihn verzaubert hatte, und nur sie – die Prinzessin, die ihm das Versprechen gab – konnte ihn befreien. Ziemlich viel Drama, oder?
„Okay, du bist jetzt ein Prinz und alles, aber du hast versprochen, dass du mir bei Netflix hilfst“, sagte die Prinzessin, immer noch etwas verwirrt, aber jetzt auch irgendwie interessiert.
„Äh, ja klar, Prinzessin. Aber du weißt, ich hab jetzt einen eigenen Thron und so, also wie wär’s, wenn wir zusammen in mein Königreich ziehen?“
Und so kam es, dass der Prinz und die Prinzessin zusammen in ein schönes Schloss zogen, und der Frosch? Nun ja, der war nicht mehr der gleiche. Wer hätte gedacht, dass ein bisschen Magie so viel Aufregung bringen kann?
Der Froschkönig
(Originalfassung)
In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön; aber die jüngste war so schön, daß die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich verwunderte, sooft sie Ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen: wenn nun der Tag recht heiß war, so ging das Königskind hinaus in den Wald und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens: und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fing sie wieder; und das war ihr liebstes Spielwerk.
Nun trug es sich einmal zu, daß die goldene Kugel der Königstochter nicht in das Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug und geradezu ins Wasser hineinrollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, so tief daß man keinen Grund sah. Da fing sie an zu weinen und weinte immer lauter und konnte sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu „Was hast du vor, Königstochter, du schreist ja, daß sich ein Stein erbarmen möchte.“ Sie sah sich um, woher die Stimme käme, da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken häßlichen Kopf aus dem Wasser streckte. „Ach, du bist’s alter Wasserpatscher“, sagte sie, „ich weine über meine goldene Kugel, die mir in den Brunnen hinab gefallen ist.“ – „Sei still und weine nicht“, antwortete der Frosch, „ich kann wohl Rat schaffen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?“ – „Was du haben willst, lieber Frosch“, sagte sie, „meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, auch noch die goldene Krone, die ich trage.“ Der Frosch antwortete: „Deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine, und deine goldene Krone, die mag ich nicht: aber wenn du mich liebhaben willst, und ich soll dein Geselle und Spielkamerad sein, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldenen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen: wenn du mir das versprichst, so will ich hinunter steigen und dir die goldene Kugel wieder herauf holen.“ – „Ach ja“, sagte sie, „ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wieder bringst.“ Sie dachte aber: Was der einfältige Frosch schwätzt, der sitzt im Wasser bei seines Gleichen und quackt, und kann keines Menschen Geselle sein.
Der Frosch, als er die Zusage erhalten hatte, tauchte seinen Kopf unter, sank hinab und über ein Weilchen kam er wieder herauf gerudert, hatte die Kugel im Maul und warf sie ins Gras. Die Königstochter war voll Freude, als sie ihr schönes Spielwerk wieder erblickte, hob es auf und sprang damit fort. „Warte, warte“, rief der Frosch, „nimm mich mit, ich kann nicht so laufen wie du.“ Aber was half ihm, daß er ihr sein quack quack so laut nachschrie als er konnte! Sie hörte nicht darauf, eilte nach Haus und hatte bald den armen Frosch vergessen, der wieder in seinen Brunnen hinab steigen musste.
Am anderen Tage, als sie mit dem König und allen Hofleuten sich zur Tafel gesetzt hatte und von ihrem goldenen Tellerlein aß, da kam, plitsch platsch, plitsch platsch, etwas die Marmortreppe herauf gekrochen, und als es oben angelangt war, klopfte es an der Tür und rief: „Königstochter, jüngste, macht mir auf.“ Sie lief und wollte sehen wer draußen wäre, als sie aber aufmachte, so saß der Frosch davor. Da warf sie die Tür hastig zu, setzte sich wieder an den Tisch, und war ihr ganz angst. Der König sah wohl daß ihr das Herz gewaltig klopfte und sprach „Mein Kind, was fürchtest du dich, steht etwa ein Riese vor der Tür und will dich holen?“ – „Ach nein“, antwortete sie, „es ist kein Riese, sondern ein garstiger Frosch.“ – „Was will der Frosch von dir?“ – „Ach lieber Vater, als ich gestern im Wald bei dem Brunnen saß und spielte, da fiel meine goldene Kugel ins Wasser. Und weil ich so weinte, hat sie der Frosch wieder heraufgeholt, und weil er es durchaus verlangte, so versprach ich ihm er sollte mein Geselle werden; ich dachte aber nimmermehr, daß er aus seinem Wasser heraus könnte. Nun ist er draußen und will zu mir herein.“ Indem klopfte es zum zweitenmal und rief:
„Königstochter, jüngste,
Mach mir auf,
Weißt du nicht, was gestern
Du zu mir gesagt
bei dem kühlen Brunnenwasser?
Königstochter, jüngste,
mach mir auf.“
Da sagte der König: „Was du versprochen hast, das mußt du auch halten; geh nur und mach ihm auf.“ Sie ging und öffnete die Türe, da hüpfte der Frosch herein, ihr immer auf dem Fuße nach, bis zu ihrem Stuhl. Da saß er und rief „Heb mich herauf zu dir.“ Sie zauderte, bis es endlich der König befahl. Als der Frosch erst auf dem Stuhl war, wollte er auf den Tisch, und als er da saß, sprach er: „Nun schieb mir dein goldenes Tellerlein näher, damit wir zusammen essen.“ Das tat sie zwar, aber man sah wohl daß sie’s nicht gerne tat. Der Frosch ließ sich’s gut schmecken, aber ihr blieb fast jeder Bissen im Halse. Endlich sprach er: „Ich habe mich sattgegessen, und bin müde, nun trag mich hinauf in dein Kämmerlein und mach dein seiden Bettlein zurecht, da wollen wir uns schlafen legen.“ Die Königstochter fing an zu weinen und fürchtete sich vor dem kalten Frosch, den sie nicht anzurühren getraute, und der nun in ihrem schönen reinen Bettlein schlafen sollte. Der König aber ward zornig und sprach: „Wer dir geholfen hat, als du in der Not warst, den sollst du hernach nicht verachten.“ Da packte sie ihn mit zwei Fingern, trug ihn hinauf und setzte ihn in eine Ecke. Als sie aber im Bett lag, kam er gekrochen und sprach: „Ich bin müde, ich will schlafen so gut wie du: heb mich herauf, oder ich sags deinem Vater.“ Da ward sie erst bitterböse, holte ihn herauf und warf ihn aus allen Kräften wider die Wand; „nun wirst du Ruhe haben, du garstiger Frosch.“ Als er aber herabfiel war er kein Frosch, sondern ein Königssohn mit schönen und freundlichen Augen.
Der war nun nach ihres Vaters Willen ihr lieber Geselle und Gemahl. Da erzählte er ihr, er wäre von einer bösen Hexe verwünscht worden, und niemand hätte ihn aus dem Brunnen erlösen können als sie allein, und morgen wollten sie zusammen in sein Reich gehen. Dann schliefen sie ein, und am andern Morgen, als die Sonne sie aufweckte, kam ein Wagen heran gefahren mit acht weißen Pferden bespannt, die hatten weiße Straußfedern auf dem Kopf, und gingen in goldenen Ketten, und hinten stand der Diener des jungen Königs, das war der treue Heinrich. Der treue Heinrich hatte sich so betrübt, als sein Herr war in einen Frosch verwandelt worden, daß er drei eiserne Bande hatte um sein Herz legen lassen, damit es ihm nicht vor Weh und Traurigkeit zerspränge. Der Wagen aber sollte den jungen König in sein Reich abholen; der treue Heinrich hob beide hinein, stellte sich wieder hinten auf, und war voller Freude über die Erlösung. Und als sie ein Stück Wegs gefahren waren, hörte der Königssohn, daß es hinter ihm krachte, als wäre etwas zerbrochen. Da drehte er sich um und rief:
„Heinrich, der Wagen bricht.“
„Nein, Herr, der Wagen nicht,
es ist ein Band von meinem Herzen,
das da lag in großen Schmerzen,
als ihr in dem Brunnen saßt,
als ihr eine Fretsche wast.“
Noch einmal und noch einmal krachte es auf dem Weg, und der Königssohn meinte immer der Wagen bräche, und es waren doch nur die Bande, die vom Herzen des treuen Heinrich absprangen, weil sein Herr erlöst und glücklich war.
Quelle:
Brüder Grimm aus „Die schönsten Kinder- und Hausmärchen“ (Band 1) – 1857